Orangenbeispiel oder die WIN-WIN-LÖSUNG
Zwei Leute stehen auf dem Markt am Obststand.
Es gibt nur noch eine Orange, die beide kaufen wollen. Der Verkäufer
versucht zu schlichten. Was wird er tun? Vermutlich vorschlagen,
die Orange
zu teilen.
Diese scheinbar gute, weil auf den ersten Blick „gerechte“ Lösung
stellt sich nach einer Mediation anders dar.
Der Mediator würde die beiden fragen, was ihr Interesse an
der Orange ist, was jeder damit zu tun beabsichtigt. Der eine kann
dann erklären, dass er die Schale für einen Kuchen benötigt.
Der andere kann klarstellen, dass er den Saft trinken möchte.
Eine gemeinsame Lösung liegt also auf der Hand – einer
kann die Schale nehmen und die abgeschälte Orange dann dem
anderen für seinen Saft überlassen. Man kann also die
Bedürfnisse beider befriedigen. Beide können gewinnen,
ohne dass einer verliert.
Der Vorteil der Mediation, dass im Erfolgsfall alle Beteiligten
Gewinner sind (WIN-WIN-Lösung), lässt sich mit diesem
oft benutzten Lehrbuchfall gut zeigen.
So schön wie er ist, so unrealistisch scheint er auch zu sein.
Und dennoch sind solche WIN-WIN-Lösungen, in denen niemand
der Verlierer ist, möglich. Nämlich dann, wenn die Streitparteien
beginnen zu kooperieren. Deshalb ist auch der Begriff Kooperationsgewinn
gebräuchlich. Kooperation heißt in diesem Fall, dass
sich die Parteien zusammensetzen und die Interessen und Motive
offenbaren, die sich hinter ihren Forderungen bzw. Positionen verbergen.
Im Lösungsprozess wird so ermöglicht, dass eine Partei
etwas aufgeben und der anderen Partei geben kann, das für
sie subjektiv einen geringeren Wert hat als für die andere
Partei. Dafür erhält sie von der anderen Partei etwas,
was diese wiederum subjektiv geringer bewertet. Dazu ist allerdings
eine unterschiedliche subjektive oder persönliche Wertschätzung
verschiedener Eigenschaften eines Streitgegenstandes erforderlich.
Im Orangenfall schätzt einer die Eigenschaft, dass man mit
ihrer Schale Kuchen backen kann, gering. Er schätzt lediglich
die Eigenschaft der Saftgewinnung subjektiv hoch ein. Weil nahezu
jeder Streitgegenstand ein komplexes System darstellt, sind unterschiedliche
Wertschätzungen der Parteien sehr wahrscheinlich und deren Herausarbeiten in einer Mediationssitzung damit
Grundlage einer WIN-WIN-Lösung.
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